Dienstag, 17. März 2015

Geräuschprotokoll zweier Städte

45° 19′ Nord, 14° 25′ Ost.
Vogelgezwitscher. Nicht nur die kreischenden Möwen, die mir selbst bei geschlossenem Fenster immer wieder die allumgebende Wahrheit ins Trommelfell kratzen: Nora, du Glückliche, du wohnst jetzt am Meer. Auch andere Vögel, die harmlos vor sich her zwitschern wie in wohl jedem Dorf Europas – nur bin ich eben nicht im Dorf, es ist nur eben angenehm grün hier, sobald man sich ein paar hundert Meter vom Industriehafen entfernt. 

Straßenlärm, von beiden Seiten, weil rund um das Wohnheim relativ große Straßen verlaufen.

Geschrei, Tritte, Pfeifen, weil zum Wohnheim ein Fußball- und ein Basketballplatz gehören.

Rauschen, weil es eigentlich immer windig ist. Dazu klappernde Fensterläden, sobald Rijekas Haus-Sturm, der Bura, gewaltig zeigt und in jede Straße, Gasse, Wohnungstür, ja über die Bucht hinausbrüllt, was er so kann.

Bok, Ciao, Ajde, Kako si?, Šta da? und Dobar Tek, weil sie hier Kroatisch reden. Hi, How’re you? und See you later, weil ich hier nicht immer nur Kroatisch reden kann, das macht müde.

Trommelschläge, dilettantische Gitarrenläufe, die man kennt, erhobene Stimmen, heisere Stimmen, in Bars mit Coverbands und „Rauchen erlaubt!“-Schildern. Jugorock und Turbofolk in den Pubs der Altstadt, 90ies-Hits und Abba in der Caffe-Bar nebenan, die nicht schön, aber nah ist.


41° 43′ Nord, 44° 48′ Ost.
Das Schaben altmodischer Reisigbesen über unebene, schlaglochversehrte Straßen, morgens um 7, wenn außer den Straßenfegern (viel zu oft alte, gekrümmte Großmütter) noch keiner ans Aufwachen denkt. Immer wieder die jaulenden Sirenen der Alarmanlagen der Autos, die ich so lange für die Sirene der Polizei oder Rettungswagen hielt. Ein konstantes Level an Straßenlärm dann später am Tage, so ununterbrochen und allgegenwärtig, dass er nur auffällt, der Krach, wenn er nicht mehr da ist, wenn ich die Stadt verlasse.

Lachen und Geschrei, Hundegebell, Rufe aus dem Innenhof, den wir uns mit mehreren Familien, Kindern, Hunden teilen.

Das Bellen, fast schon Geschrei, der Hundegangs in den Vororten, in die ich mich nur in Begleitung von Einheimischen traue, obwohl es mir dort gefällt.

Hupen, Hupen, Hupen. Es scheint manchmal mehr Anlässe fürs Hupen als fürs Lachen zu geben.

Damekhmarebit, Privjet, Rogora khar?, Modi, dacheqi, chame!, Spasibo, Xarasho, weil ich öfter für eine Russin gehalten werde und trotzdem manchmal nach dem Weg gefragt werde und Fragen immer mal auch richtig beantworte. Let’s go for a beer tonight, Was machst du heute so?, Wavedit!, weil hier drei Sprachen meinen Alltag bestimmen und umeinander konkurrieren, mir durch den Kopf wirbeln, mich verwirren, mir neue Gedanken bringen, mich manchmal ganz verstummen lassen.

Akustikgitarre und Folksongs, jeden Mittwoch, dazu bekannte Gesichter und zunehmend betrunkene Gespräche. Beatles und Oasis in all diesen Bars, etwa weil das früher nicht erlaubt war? Elektro von Berliner DJs, den scheinbar außer den Deutschen kaum jemand zu schätzen weiß. Schlechte Musik, eine leere Bar, doch so voller Erinnerungen, geteilt von den nostalgischen Menschen, die es trotz allem immer wieder hierhin verschlägt, sodass die Bar sich niemals leer anfühlen wird.


Die zwitschernde Klingel, die immer ertönt, wenn jemand unsere Wohnung betritt. 

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