Dienstag, 23. September 2014

Vom Hund, der Straße und den armen Trampern

Ich reise gerne und derzeit auch recht unverschämt viel. Da komme ich nicht umhin, das ein oder andere Verkehrsmittel zu benutzen, zumal ich insgesamt doch eher lauf-faul bin. Naja, man könnte es auch auf generell faul herunterbrechen. Egal, nicht das Thema.

Nutzt man ab und an oder auch öfter das ein oder andere Verkehrsmittel, zumal in fremden Landen, dann sammeln sich lustige Anekdoten an, aus denen man sehr gut einen hoffentlich lustigen Blogpost machen kann, wenn man eigentlich gerade Hausarbeit schreiben sollte. Hier ist er also, der Quoten-Hausarbeits-Post, frisch aus der Uni-Bib, wo ich derzeit lustige Youtube-Videos schaue und damit anderen Studenten den Arbeitsplatz wegnehme.
Welche Verkehrsmittel gäbe es hier also abzuarbeiten? Auto, Füße, Fahrrad, Boot, Straßenbahn, Zug, Bus, Minibus, Flugzeug. Exoten wie Rikscha, Mehr-Personen-Moped & Co. lasse ich absichtlich weg, meine Fernostaufenthalte sind schließlich längst verjährt und ehrlich gesagt, habe ich da eh nur das Taxi benutzt, meine ich mich zu erinnern.

Nun denn, Auto. Ich habe tatsächlich einen Führerschein, und nachdem ich neulich mein Zimmer erst auf- und dann ausräumen musste, besitze ich ihn auch wieder ganz aktiv. Vorher hatte ich etwa 1,5 Jahre lang mit Vergnügen die Formulierung „Ich habe meinen Führerschein verloren“ der anderen Variante („Ich finde ihn grade nicht“) vorgezogen, das klang so kriminell und abenteuerlich. Auch wenn ich also selten bis nie selbst Auto fahre, habe ich während dieses Sommers doch recht viel Zeit in Autos verbracht, da ich irgendwann im letzten Jahr das Trampen als Lieblings-Fortbewegungsart für mich entdeckt habe. Es ist günstig, oft schneller als die Bahn, man trifft gelegentlich sehr spannende Menschen und es vermittelt tatsächlich diese „Alles ist möglich!“-Stimmung, die Jack Kerouac uns in „On the Road“ näherbringen wollte. Theoretisch könnte ich jederzeit die Straßenseite wechseln und woandershin davonbrausen. Theoretisch. Denn auch wenn ich immer wieder begeistert davon schwärme, wie super trampen fast immer funktioniert, gibt es eben doch die wenigen Fälle, wo es absolut GAR NICHT funktioniert. So geschehen, als ich neulich zum Flughafen trampte und dabei meinen Flug nach Irland knapp verpasste. Diese Geschichte ist recht langweilig und lässt sich damit zusammenfassen, dass an jenem Tag halt leider kein anderer von Jena nach Berlin fahren wollte, obwohl das sonst echt immer funktioniert. Daher jetzt eine andere Geschichte in ausführlich; es war einmal in den bulgarischen Bergen…
Ein wolkenverhangener Tag mit der ständig lauernden Gefahr, dass es bald so richtig losregnen könnte. Das Rila-Gebirge im Südwesten Bulgariens, ein verhältnismäßig touristisches Gebiet, weil sich dort ein riesiges hübsches Kloster befindet. Eine Straße ohne Abzweige bis zum nächsten Ort, drei freundliche lächelnde Mädchen. Das ist eigentlich die optimale Tramper-Situation, da man gleich mehrere Mitleidskarten ausspielen kann.

1. Es regnet. Du kannst doch niemanden im Regen stehen lassen, du Unmensch!
2. Drei Mädchen. Man lässt doch keine armen Mädchen im Regen stehen. Wer weiß schon, wer sie sonst an deiner Stelle mitnimmt?
3. Die Umgebung. Deine christliche Nächstenliebe kann doch nicht an der Pforte des Klosters enden.
4.  Die Straße. Wir wollen ja nur in die nächste Stadt, da stören wir dich ja gar nicht lange.
5.  Es regnet immer noch. Wir gucken ja schon ganz traurig. Hast du denn gar kein Herz?

Da stehen wir also und stehen und stehen und winken und lächeln, gucken mal herzzerreißend traurig, mal leicht genervt, zittern noch mehr als eigentlich notwendig, lassen unsere nassen Haare im Wind flattern, lächeln, lächeln, lächeln irgendwann nicht mehr und beschimpfen den Hund.

Mit einem Hund zu trampen ist offenbar nicht die beste Variante, dabei ist das alles nur ein Missverständnis! Was uns nämlich fehlt, ist ein Schild mit der Aufschrift: „Dieser Hund gehört uns doch gar nicht!“ Der Hund gehört dem Kloster oder wahrscheinlich eher sich selbst, und wir sammeln ihn aus Versehen genau dort ein, als wir zu einer kleinen Wanderung aufbrechen. Der Hund ist nicht besonders schlau, aber sehr nett, und begleitet uns ungefragt über Stock und Stein, bellt für uns auch mal ein paar unschuldige Kühe an und freut sich über Essen. Als wir dann zurück beim Kloster sind, vertreibt ihn der Restaurantbesitzer für uns, kriegt daher kein Trinkgeld von uns und wir finden’s schade, dass wir uns gar nicht richtig verabschieden können vom Hund. Als wir beschließen, nicht zwei Stunden auf den nächsten Bus zu warten, sondern in die nächste Stadt zu trampen, ist der Hund plötzlich wieder da. Und er kommt mit.

So wandern wir und der Hund also eine geschlagene Stunde an der Straße herum und schließlich wieder zurück, nachdem wir wirklich alle erdenklichen Gesichtsausdrücke ausprobiert haben (wir Menschen, der Hund nicht, der kann nur treudoof und lieb gucken). Mittlerweile ist der Bus natürlich da, wir steigend triefend nass, gedemütigt ein und lassen den Hund ein weiteres Mal zurück. Ich habe mich geirrt, er kann auch traurig gucken. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen