Mittwoch, 25. Juli 2012

"Da findet das Leben auf der Straße statt!!!"

Ein typischer begeisterter Satz eines deutschen Touristen, der gerade in Italien/Vietnam/der Türkei, ach, eigentlich überall südlich und östlich von Deutschland, war.
Doch was bedeutet er?


Ich denke, dass in diesen Ländern eben die meisten Menschen meistens "auf der Straße" sind, dort einkaufen, handeln, tratschen, essen, trinken, spielen, lachen, Neuigkeiten austauschen und all das, was man eben so tut. Leben eben.


Bisher war auch ich begeistert von dem Konzept, dass nicht jeder bei sich zu Hause versauert und das Haus nur dann verlässt, wenn er einen gewissen Grund dazu hat. Seit ich in der Türkei war, denke ich ein wenig anders darüber. In den Orten in Nordostanatolien, die ich besucht habe, findet nur die Hälfte des Lebens auf der Straße statt, nämlich das Leben der männlichen Bevölkerung. Diese sitzt von morgens bis abends beisammen an kleinen Tischchen, trinkt Tee, würfelt, spielt Karten, unterhält sich oder starrt Löcher in die Luft. Da stellen sich nun zwei Fragen: "Was machen denn die Frauen den ganzen Tag?" und "Warum machen die Männer das den ganzen Tag?". Die erste Frage lässt sich wohl recht einfach beantworten. Wie auch Georgien und selbstverständlich sehr viele Länder ist auch die Türkei natürlich noch sehr stark den traditionellen Rollenbildern verhaftet, die Frau gehört in die Küche und erzieht die Kinder. Das ist nun ein sehr weitreichendes Thema, über das es viel zu diskutieren gibt, aber darum soll es in diesem Artikel gar nicht gehen. Viel wichtiger ist mir die zweite Frage: "Warum sitzen die Männer den ganzen Tag auf der Straße?"
In Deutschland arbeiten die meisten Leute und treffen sich dann abends oder eben am Wochenende. In der Türkei (besser gesagt in den Orten, wo ich war) aber haben all diese Männer ganz offenbar keine Arbeit, und was ich noch viel schlimmer finde, keine Beschäftigung. Das Leben, das dort auf der Straße stattfindet, ist sehr stark von gar nichts geprägt. Natürlich, manche Männergruppen spielen, einige unterhalten sich, das ist ja vollkommen legitim und "spielen und quatschen" klingt ja auch gar nicht unattraktiv als Lebensinhalt auf Zeit. Aber sehr viele dieser Männer sitzen eben einfach nur da und tun gar nichts, nada. Sie sitzen, starren, bestellen Tee, sitzen, starren, bestellen Tee.


Das ist der Punkt, wo für mich der Satz "Da findet das Leben auf der Straße statt!" eine unglaublich unzutreffende Romantisierung ist. Da findet nämlich gar nichts statt.

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