Montag, 25. Juni 2012

Bin ich jetzt Tourist?

Mein (WG-)Leben in Tbilissi ist schon seit Monaten von sehr vielen Ein- und Auszügen geprägt. Verschiedenste Leute haben mal für ein paar Wochen hier gewohnt (und sei es auf der Couch), stndig kommen Leute zum Abendessen oder Weintrinken vorbei, es ist immer viel los und immer irgendjemand da. Ich bin das ja auch von meinem Leben davor gar nicht anders gewohnt, auch da waren meistens mehr als die neun "eigentlichen" Bewohner des Hauses da. Und ich fand und finde das auch ziemlich super.
Momentan wird es immer, immer mehr: Es ist Sommer, auch in Deutschland beginnt die Ferienzeit. Und wie schon zu Osterferienzeiten strömen auch jetzt Touristen in Scharen in die Stadt. Wie ich das wiederum finde? Naja, da bin ich ein bisschen zwiegespalten: Es ist ja gut für Georgien, wenn viele Touristen herkommen. Ich freue mich ja über jeden, der überhaupt auf die Idee kommt, hierher zu reisen. Und ich kann das ja gut verstehen. Aber. Aberaberaber. Aber gleichzeitig nervt es mich, wenn man in der Altstadt mehr Deutsch, Englisch und Russisch hört als Georgisch. Wenn überall Leute mit blonden Haaren und Spiegelreflexkamera rumlaufen. 
Man kann das wirklich schlecht erklären, aber vielleicht liegt es daran, dass ich mich selbst nicht als Tourist betrachte. Und auch nie betrachtet habe. Nicht, dass ich vorhätte, nach Georgien auszuwandern oder dass ich mich als Georgierin sehen würde oder dergleichen. Aber eben auch nicht Tourist. Und wenn es so viele Touristen gibt, neigt man eben dazu, alle hellhaarigen Menschen als Touri abzustempeln und dann muss ich ja auch davon ausgehen, dass mich die anderen als Touri abstempeln und ich bin doch kein Tourist!
Oder etwa doch? Bisher habe ich auf die Frage, was ich denn hier mache, immer geantwortet, dass ich hier arbeite, an einer Schule, als Praktikantin, Hilfslehrerin, wie auch immer. Jetzt wäre die ehrliche Antwort: "Ich wohne hier, ich habe hier gearbeitet." Das Schuljahr ist vorbei und damit der riesige Hauptteil meiner Arbeit als Freiwillige. Und jetzt, wo ich Ferien habe, was mache ich da? Durch die Altstadt schlendern, auf den Basar gehen, am See liegen, Ausflüge machen, Eis essen, Postkarten schreiben, Koffer packen... Trifft das nicht alles auch auf 'die Touris' zu? Bin ich dann einer? Und wenn ja, ist das schlimm?
Meine verbleibende Zeit in Georgien ist ziemlich gering: In gut einem Monat werde ich abreisen, ein paar Tage dieses Monats werde ich in der Türkei verbringen (als Tourist, natürlich), den Rest möchte ich nutzen, um weiter eine schöne Zeit im sommerlichen Tbilisi zu verbringen und mir noch ein paar Ecken des Landes anzuschauen. Klingt schon sehr touristisch. In einer Woche werde ich aus meiner Wohnung ausziehen und dann habe ich hier in Georgien nur noch die Sachen, die in meinen großen Rucksack passen, die Sachen also, die ich auf meinem Rücken nach Deutschland tragen werde. Das wird nicht allzu viel sein, jedes Kilo muss getragen werden und deswegen wohl überlegt sein. 
Ja, irgendwie befinde ich mich momentan mal wieder in so einer Zwischenphase. Letzten Sommer war ich nicht mehr Schüler und noch nicht Freiwilliger, deswegen Reisender. Ende letzten Sommers habe ich mein Zimmer bei meiner Familie komplett geräumt und mich auf 56kg beschränkt, die ich für das nächste Jahr brauchen würde. Diesen Sommer bin ich nicht mehr Freiwilliger und noch nicht Student, deswegen Reisender. 

Was ich gerade übrigens tue, wenn ich nicht gerade darüber philosophiere, was ich bin und was ich werde (Stichpunkt Studiengangswahl), ist, meiner Freundin Caro, die gerade für zwei Wochen hier ist, Georgien und Tbilisi in seiner ganzen Schönheit zu zeigen. Dafür haben wir uns eine Woche lang auf Reisen gemacht, mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln. Und weil wir da wirklich viel erlebt habt, gibts darüber demnächst noch mal einen Reisebericht, obwohl ich mir immer wieder denke, dass zu viele Reiseberichte auf die Dauer auch nicht gut sind. 

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