Montag, 7. Mai 2012

Von West nach Ost - Besuch Nummer Zwei (mit vielen Fotos!)

War ich Anfang April mit meiner Schwester im Westen Georgiens und in unserem westliche Nachbarland, ging es die Woche drauf mit meiner Mutter und meiner Mitbewohnerin Hannah in den Osten Georgiens und in unser östliches Nachbarland. Das ist jetzt auch schon wieder eine Weile her, deswegen gibts nichts chronologisches, sondern nur ein paar Erinnerungen.

Dienstagabend, der erste Abend mit Mama: Wir gehen essen. Aber nicht Chatschapuri, Chinkali, Mzwadi, K'idris-P'omedori-Salati und wie die ganzen (für euch unaussprechbaren) georgischen Leckereien heißen. Nein, nach etwa zwei Wochen Besuch (erst Adriana und dann Solli) kann ich vorerst kein georgisches Essen mehr sehen. Vielmehr will ich schon seit längerem mal wieder im "Cafe Gallery", wo wir so manche Nacht/frühen Morgen bei guter Elektro-Musik verbringen, essen gehen. Und weil Mama natürlich keine Einwände hat, wird das auch gemacht. So gibt es immerhin "östliches" Essen: Pelmeni und Borsch. Mjammi.
Doch der wirklich kulinarische Höhepunkt des Abends ergießt sich mir zu Füßen, als Mama ihre Reisetasche öffnet: Nutella! Gouda! Kaffee! Milka! Schokoostereier! Osterschokolade!
Dazu kommen noch tolle/nützliche Dinge wie Wanderschuhe, Bücher, Zeitschriften, Briefe... Gefühlt die Hälfte ihres Gepäcks wandert in meinen Magen oder in meinen Besitz! Juhu!
Mit solchen Gedanken im Hinterkopf (und solchem Essen im Bauch) geht der nächste Schultag auch schnell rum und die Osterferien (6 Tage) beginnen.

Von Donnerstag bis Montag habe ich jetzt also Zeit, selbst noch ein bisschen weiter in Georgien rumzureisen und Mama die schönsten Orte zu zeigen. Der Klassiker: Tagesausflug nach Mzcheta, der alten Hauptstadt Georgiens. Ich muss sagen, dass ich der Stadt auch bei meinem zweiten Besuch nicht allzu viel abgewinnen kann. Schön gelegen, ja, aber eher langweilig und da ich mich auch nicht so für georgische Kirchen begeistern kann, ist auch die riesige dortige Kirche für mich nicht überwältigend. Aber das Gute ist: In Mzcheta ist man schnell und so ist die Fahrt dorthin eine gute Einstimmung auf folgende Marschrutka-Fahrten. Am Abend gehen wir dann noch in die Oper: Die deutsche Botschaft feiert das 20jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zu Georgien, und weil wir Freunde bei der GIZ haben, feiern wir kostenlos mit.

Abends werden dann noch die Rucksäcke für den nächsten Tag gepackt: Gen Osten, Kachetien, das georgische Weingebiet, soll es gehen. Vorerst geht es jedoch nur zwei Straßen weiter, sehr ungeorgisch ins "Downtown", wo man gut frühstücken gehen kann. Und danach geht es wirklich los. Das erste Ziel ist "Tsinandali", ein Ort, den mir eine Kollegin empfohlen hat, weil es dort einen sehr schönen, für Georgien eher untypischen Park gibt. Der Marschrutkafahrer lässt und also dort raus, der Park ist schnell gefunden und sieht auch sehr schön aus - von außen. Als wir nämlich versuchen, hineinzugehen, brechen die (wie immer überrepräsentierten und gelangweilten) Security-Leute in gelangweilte "Ara, no, no!"-Rufe aus. Ja wie, nein? Doch! Warum denn nicht? Obwohl ich diese Fragen auf Georgisch stelle, kriege ich keine vernünftige Antwort. Wir dürfen heute jedenfalls nicht in den Park, andere scheinbar schon, aber wir nicht. Na danke. Super. Wir versuchen es hinterrücks, sind aber erfolglos und beschließen darum, erstmal weiter zu fahren.

Ziemlich schnell kriegen wir eine Marschrutka in den nächsten größeren Ort: Telawi. Dort besichtigen wir den Basar, decken uns mit leckerem Essen ein und erhandeln uns danach das abgefuckteste Taxi von allen: Einen alten, blauen Lada. Der fährt uns in ca 20 Minuten nach Gremi, wo es eine Art Burg mit einer sehr schönen Kirche am Fuße des Großen Kaukasus gibt. Und da gibt es erstmal leckeres Picknick mit Obst, Gemüse und vor allem Paska: Dem georgischen Osterkuchen. Paska, die erste georgische Vokabel, die ich von meiner Mutter gelernt habe. Die hat sie wiederum von Gwanza, die gerade für drei Monate bei meiner Familie wohnt. Paska ist ein runder, hoher Kuchen, der hier etwa zwei Wochen lang an allen Ecken verkauft wurde und ziemlich lecker ist.
Die Besichtigung des Museums, das zur Kirche gehört, müssen wir wegen Ostern (ergo Feiertag) leider ausfallen lassen. Die Freunde von mir, die ein paar km entfernt arbeiten, erreichen wir per Handy nicht, kurz: Wir sind bereit zur Weiterreise und es wird auch schon Abend und wir brauchen noch eine Unterkunft.

Weil wir mitten auf dem Land natürlich kein Taxi kriegen, machen wir es wie (für mich) mittlerweile gewohnt: Haargummi raus, Daumen raus. Schon kurz darauf hält ein kleiner Pick-Up an und nimmt uns mit: Hannah und ich komfortabel im hinteren Teil auf Bläschenfolie, Mama vorne, alle zufrieden. Der Fahrer will's uns deutschen Frauen beweisen und schafft dieselbe Strecke in 5 Minuten zurück. 15 Minuten Unterschied, Respekt! Trotzdem sind wir alle ein bisschen froh, es überlebt zu haben.

In Telawi angekommen beschließen wir, die letzte Marschrutka nach Signagi, einer Stadt weiter im Süden, zu nehmen. Dieser Beschluss ist zwar schön und gut und praktisch und auch billig, aber leider unmöglich. Mit den letzten Marschrutkas hab ich es ja nicht so (man erinnere sich an Ananuri), auch diesmal sind wir zu spät und stellen uns der Aufgabe, ein Taxi zu einem vernünftigen Preis zu finden. Jetzt haben wir aber alle drei keine Ahnung, was ein vernünftiger Preis ist und das Thema "Ausländerpreise" ist ja durchaus diskussionswert... Als gefühlt ganz Telawi um uns drei versammelt ist und uns Preise von 25 bis 100 Lari zuruft, geben wir auf und nehmen einfach den nächstbesten für 25 Lari.
In Signagi angekommen (etwa eine Stunde Fahrt) erfragen wir den Weg zu einem Gästehaus, das uns Adriana empfohlen hatte und verbringen dort einen lustigen Abend bei georgischem Wein, hausgemachtem Essen und mit der Gesellschaft der wirklich netten Familie und anderen Gästen aus Hongkong.

Für den nächsten Tag planen wir mit dem Gästhausbesitzer einen Trip nach Dawid Garedji, einem Höhlenkloster, das in einer Wüste an der Grenze zu Aserbaidschan liegt.
Das ist jetzt wirklich schwer zu beschreibe, die Landschaft ist einfach etwas, was ich noch nie gesehen habe und sehr beeindruckend fand. Außer uns waren Scharen von deutschen Rentnern dort unterwegs, die auch allesamt sehr begeistert waren.

Wie gesagt, Dawid Garedji liegt direkt an der Grenze zu Aserbaidschan. Aserbaidschan, ein muslimisches Land, für das man ein Visum braucht, was etwa 60Euro kostet. Selbstverständlich reizt mich das! 
Ein paar Grenzsoldaten, die Deutsch sprachen, warnen uns zwar und wir geben die Warnung ("Hinter dieser Kirche ist die Grenze, Achtung!") auch an die anderen deutschen Touristen weiter. Einer von ihnen - so ein älterer Mann, der weise und weitgereist und erfahren und all so was aussieht - erzählt uns, dass es dort eventuell auch Minen gibt. Na wunderbar.

Aber hey, wir probieren das trotzdem mal.
So machen wir uns auf den Weg zu einer 2stündigen Wanderung in der Umgebung des Klosters. Und da ist sie, plötzlich, die Grenze. Ein Zaun. Ein sehr, sehr niedriger Zaun. Und vielleicht Minen? Vorsichtshalber überqueren wir die Grenze nicht, sondern laufen weiter an ihr entlang. Bis der Pfad uns direkt über die Grenze führt. Und wir bestimmt fünf Minuten davor stehen, uns in unserer Hysterie gegenseitig hochschaukeln und Angst vor diesen blöden Minen haben. Bis Hannah den Kopf schüttelt und todesmutig drüber steigt. Ein Schritt, der zwischen Leben und Tod entscheidet. Ein Schritt, der sich sehr eindeutig für Leben entscheidet. Ein Schritt, dem ich nachfolge. Och nee, jetzt werde ich für immer der Feigling sein, der als zweites ging!!

Aserbaidschan fühlt sich gut an. Illegal in einem Land, uuuh! Aufregend. Heiß. Durstig. Landschaftlich sehr anders als alles bisher gesehene, irgendwie sehr weit.
Ein paar Minuten später treffen wir auf den Mönch Giorgi, der uns ein paar sehr schöne uralte Höhlen zeigt und uns auch beim Rückweg helfen will. Er scheint den Weg zu kennen und wir sind auch schon fast wieder beim Kloster angekommen, als er plötzlich anhält und wir den Weg wieder ein gutes Stück zurück (ergo bergauf) gehen müssen. Uppsala, fast hätte er uns aus Versehen genau ins Kloster geführt. In ein ortodoxes Männerkloster, wo wir als unorthodoxe Frauen nun wirklich nichts verloren haben. Na das wäre ja lustig gewesen.
Schade drum, aber so verbleiben wir legal und kommen irgendwann auch wieder unten an, ohne dass wir von Schlangen, Mönchen oder Aserbaidschanischen Minen getötet wurden. Yes!

Am nächsten Tag gucken wir uns noch ein bisschen die Stadt an - ich persönlich mag die nicht so gerne, wobei die Lage wirklich genial ist. Nachmittags nehmen wir dann die Marschrutka nach Hause. Abends gibt es dort noch ein bisschen Hauptstadt-Sightseeing im armenischen Teil der Stadt, den ich selbst auch kaum kenne. Mit einer Kugel Eis aus dem besten Eisladen der Stadt endet der Tag.

Und schon ist wieder Montag, Mamas letzter Tag in Georgien und es gibt doch noch so viel zu sehen! Einer meiner Lieblingsorte in Tbilisi ist die Festung und der Botanische Garten und genau da werden wir picknicken gehen, so der Plan. Jetzt ist der botanische Garten zwar wegen Ostern geschlossen (na das kennen wir doch irgendwo her...), aber die Festung glücklichweise nicht und so gibt es noch einmal Ostereier, georgisches Brot und so weiter. Bis es Mittag ist und wir uns schon wieder beeilen müssen: Mama (und eigentlich auch ich, wie wir aber erst zu spät erfahren) ist nämlich von Gwanzas (Austauschschülerin) Familie eingeladen: Ihr steht ein typisch georgisches Familenfest bevor, der beste Abschluss, den man sich für einen Georgienurlaub vorstellen kann!

Und so vergeht die Zeit gewohnt schnell. Am Abend ist noch Zeit für ein Bier auf der Touristen-Meile und schon sitzt Mama wieder im Flugzeug (wenn auch dank der ständigen Verspätung von Turkish Airlines später als gedacht) und hier geht wieder ein bisschen der Alltag weiter. Zumindest für die nächsten Tage, bis wieder Wochenende und damit Ausflugszeit ist.

Was ich durch die drei Besuche (von Adriana, unserer kulturweit-Kollegin und Freundin aus Weißrussland, Solli, meiner Schwester, und Mama) gelernt habe: Ich selbst bin schon ziemlich drin in Georgien und ich staune gar nicht mehr so viel. Die Unterschiede zu Deutschland sind oft sehr klein, gerade die äußerlichen, sodass ich selbst sie nicht mehr bemerke. Mein "wir" meint nicht mehr die Deutschen. Zwar auch nicht die Georgier, aber immerhin doch all die Menschen, die in Georgien wohnen. Marschrutka ist Alltag, die schöne Landschaft ist Alltag, die Währung, die Sprache, die Entspanntheit, die Verkehr, die schrottigen Taxis. All so was.
Und das ist auch der Grund, warum es endlich mal wieder viele Fotos gibt: Mama und Hannah sehen das ganze hier noch viel touristischer und merken, wann man klicken sollte.

Das schrottigste Taxi - Innenansicht

An der Tankstelle: Der Lada fährt mit Gas, deswegen müssen beim Tanken immer alle Insassen aussteigen.

Beim Trampen in einem Pick-Up, hinten sieht man die bequeme Bläschenfolie


Ein typisch georgischer Innenhof in unserem Stadtviertel

Gedenkkränze am Parlament zum Tag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit

Unser Balkon - Urlaubsfeeling inklusive!

Ich in Mzcheta, der alten Hauptstadt (sieht aus wie ne deutsche Straßenecke, weil sie so viel Geld zur Restauration reingesteckt haben!)

Unser Hof (aber nicht unsere Wäsche;))

Hannah, Mama und ich vor der Marschrutkafahrt

Ein typisch georgischer Basar in Telawi

Aussicht von unserem Picknickplatz in Gremi

Noch mal Aussicht, hinten der Große Kaukasus

Mama und ich bei der Kirche von Gremi

Sicht auf Sighnaghi, hinten die Berge. Ein wenig gerechtfertigt ist es, dass die meisten Georgier Signagi als die schönste Stadt in Georgien bezeichnen.

Wüste im Südosten

Höhlenkloster Dawid Garedji (da oben wohnen wirklich Mönche!)

Kloster nochmal von weitem


Erster Blick auf die aserbaidschanische Grenze
Unsere Schatten sind schon drüben, wir zittern noch

Überlebt, illegal "eingewandert"!

Ein alltägliches Bild für mich, gesichtet in Signagi

Eine der Sehenswürdigkeiten Tbilisi's: Die Dreifaltigkeitskirche, erst 2004 gebaut!

Beim Essen gehen bei einem (georgischen) "Mexikaner"

Nochmal;)

Im Bäderviertel von Tbilisi, das gerade renoviert wird

Ein "Glücksbaum", in den man Taschentücher (oder im "Notfall" auch Plastiktüten) knotet

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