Sonntag, 18. März 2012

An Gleis 9 3/4 fährt jetzt ein... bitte Vorsicht bei Einfahrt des Zuges!

Ich wohne in einem Durchgangsbahnhof.
Oder anders gesagt: Einer Wohnung mit 4 Schlafzimmern, 5 Betten, einem Sofa, einem Sessel und sehr viel Fußboden. Einer Wohnung mit sehr viel Gabeln, aber zu wenig Löffeln (ein bisschen wie bei Dornröschen...). Einer Wohnung mit zu wenig Kaffeetassen und (Wein-)Gläsern. Einer Wohnung mit einem enorm großen Frühstückseiverbrauch. Einer Wohnung, zentral in Tbilissi. Einer Wohnung, in der sich irgendwie immer alle treffen. Einer Wohnung, wo immer mal irgendwer wohnt und besucht und Besuch bekommt und etwas oder jemanden sucht.

Ich mag meinen persönlichen Durchgangsbahnhof. Ich mags, dass hier (momentan) Leute aus drei verschiedenen Ländern wohnen. Ich mags, dass immer mal jemand anderes etwas Leckeres kocht. Ich mags, dass ständig jemand vorbei schaut. Ich mags, dass jeder irgendwas mitbringt, sei es Kaffee, Musik, ein Brot, Wein, Wodka, gute Laune, Freunde.

Wenn ich jetzt versuchen würde, die verschiedensten Konstellationen aus kurzzeitigen Mitbewohnern, langzeitigen Mitbewohnern, langzeitigen Couchsurfern, spontanen Sesselsurfern und all so Getier zu erklären, würde ich alle nur verwirren, also lass ich das mal. Manchmal nervt das Bahnhofsgefühl auch ein bisschen: Wenn mal wieder jeder einen Liter Milch gekauft hat, aber weder Brot noch Haferflocken da sind. Wenn sich niemand für die Spüle verantwortlich fühlt. Wenn alle anderen erst mittags aufstehen müssen. Wenn kein warmes Wasser zum Duschen mehr da ist.

Aber allgemein muss ich sagen, dass es momentan ziemlich gut läuft. Wieder einmal hat sich Frühlingswetter eingestellt, wir haben unseren Balkon poliert und beblümt, in der Schule fühle ich mich fast die ganze Zeit sinnvoll, die Kinder sind süßer als je zuvor, die Kolleginnen immer noch super nett. Durch Tbilisi weht ein optimistischer Frühlingswind: Der ein oder andere Georgier ist nicht mehr komplett schwarz gekleidet, es gibt wieder Tomaten, Mütze ist nicht mehr obligatorisch, überall wird gebaut, Ausflüge werden geplant...

Generell ist grad irgendwie viel im Wandel, es passiert viel, viele neue Leute sind in der Stadt, es machen an jeder Ecke neue Bars und Hostels auf. So geht die Zeit einfach irre schnell rum und ich habe ein bisschen Angst, dass ich gar nicht mehr all das erleben und entdecken kann, was ich mir noch so vorgenommen habe. Also jetzt mal wieder weg vom PC - rein ins Reallife;)

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